Bleibt alles anders
Stimmen über die Liebe zur Gastronomie in Zeiten der Corona-Krise – und Wege, sie trotz aller Herausforderungen zu meistern.

Am 17. März 2020 kehrte dort, wo sich für gewöhnlich der Klang klirrender Gläser, klappernden Geschirrs und zischender Töpfe mit fröhlichem Stimmengewirr mischt, Stille ein. Rund 60.000 heimische Gastronomiebetriebe dürfen seit dem Inkrafttreten des Corona-Schutzmaßnahmenpakets der Bundesregierung keine Gäste mehr empfangen. Ein für Österreich mindestens so identitätsstiftender Kulturzweig wie Musik, Oper oder Theater liegt – voraussichtlich noch bis Mitte Mai – im künstlichen Tiefschlaf.
Aber so sehr der Corona-Lockdown die Gastronomie und Hotellerie auch erschüttert: die unerwartete Ausnahmesituation lässt viele Gastronomen – vom Cocktailbarbesitzer über den klassischen Dorfwirt bis zum Haubenkoch – auch neue Strategien entwickeln, um die Sehnsucht der Gäste nach vertrauten, authentischen Geschmäcken zu stillen. Zwei von ihnen – Philip Rachinger, Küchenchef des Mühltalhofs im oberösterreichischen Neufelden und Sibylle Brunnauer, Patronin des Restaurants Brunnauer in Salzburg – haben uns erzählt, wie sie die aktuelle Situation versuchen zu meistern, was ihnen Hoffnung macht und was sie sich für die Zeit nach dem Shutdown wünschen.
Philip Rachinger, Restaurant Mühltalhof:
Thinking (in and) outside the Box
„Logisch kochen wir momentan, um unseren Gästen etwas Gutes zu tun und das Rädchen zumindest ein bisschen am Laufen zu halten, aber davon abgesehen gibt es eben einen Punkt, da bist du mit Ausmalen und Putzen oder auf der Couch herumliegen einfach fertig“, antwortet Philip Rachinger auf die Frage, warum nach dem behördlichen Shutdown nur sehr wenig Wasser die Mühl runterrann, bis er den Holzofen in Vater Helmuts vis-á-vis des Mühltalhofs gelegenen Kulinarik-Kleinod Fernruf 7 anwarf. 60 Laibe Sauerteigbrot hat Rachinger anfangs täglich gebacken – und auch persönlich ausgeliefert. Mit dem auch auf Social-Media-Kanälen, allen voran Instagram, intensiv kommuniziertem Sauerteigbrot-Lieferdienst hat Rachinger relativ schnell nicht nur viele Mühltalhof-Stammgäste, sondern auch die Neufeldner Bevölkerung erreicht. „Die Leute aus der näheren Umgebung haben viel bestellt, weil die Bäckerei im Ort zugesperrt hat“, erzählt er.

Mittlerweile hat Rachinger das Angebot an Mühltalhof-Care-Paketen entsprechend ausgeweitet. Seit 9. April liefert der Mühltalhof fertig geschnürte Mise en Place- und spezielle Festtags-Boxen sowie A la Carte-Boxen jeweils von Donnerstag bis Samstag zwischen 11 und 14 Uhr nach Linz und in den Bezirk Rohrbach, abgeholt werden kann von Donnerstag bis Sonntag. Von der Muttertags-Special-Box, in der sich unter anderem Lachsforellenmaki mit Rhabarber-Soja-Sauce, Spargelconsommé, Zanderfilet mit Kohlrabi-Brennesselgemüse und Schokotarte tummeln, bis zu kleinen Herrlichkeiten wie der Fernruf 7 Jausn mit Zwiebelmarmelade, Buttermilchbutter, Rillettes und Kräuterlabneh oder Mühlviertler Bouillabaise entsteht in der Mühltalküche aktuell so ziemlich alles, was Freunde der gehobenen Esskultur glücklich macht. „Wir haben übers Osterwochenende 120 Ostermenü-Boxen verkauft, gerechnet hab ich mit 50“, sagt Rachinger. „Das ist natürlich genial, dass die Idee und der Service so gut angenommen werden.“

In naher Zukunft soll das Angebot um eine Art Picknickkorb erweitert werden, Arbeitstitel „Fischerjause“. „Die ist auch ein bissl für die Menschen gedacht, die an der Mühl spazieren gehen“, erklärt Rachinger. „Und Fischgerichte in einen Box zu packen macht glaub ich insofern Sinn, weil auch diejenigen, die jetzt viel selbst daheim kochen eher keine Lachsforelle oder Flusskrebse zubereiten.“ Wer hilft ihm momentan eigentlich bei der Zubereitung der Boxen? „Abgesehen von der Oma und dem Papa hol ich mir halt abwechselnd und im Rahmen des Möglichen meine Köche dazu“, sagt Rachinger. Er habe alle 24 Mühltalhof-Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet, 17 Stunden pro Monat darf gearbeitet werden. „Unsere Leute sind schon sehr froh darüber, dass wie sie nicht gekündigt und zum AMS geschickt haben. Und es ist auch jeder froh, wenn er was tun darf, weil ja allen die Decke auf den Kopf fällt.“

Den bislang angekündigten neuen Auflagen für die Gastronomie, allen voran das voraussichtlich verpflichtende Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken für Mitarbeiter sowie Abstandsregeln in Gasträumen, sieht Rachinger mit gemischten Gefühlen entgegen. „Was die Gewährleistung eines Mindestabstands zwischen den Gästegruppen angeht, haben wir im Mühltalhof wahrscheinlich einen kleinen Vorteil, weil wir drei Speiseräume haben“, sagt er. „Wenn es eine Mund-Nasen-Schutzmaskenpflicht für das Personal geben sollte, hoffe ich schon stark drauf, dass es Plexiglas- und keine Stoffmasken sind. Weil ein Lächeln ist in der Gastronomie eine der härtesten Währungen überhaupt.“
Sybille Brunnauer, Restaurant Brunnauer:
Take-Away und Kochen als Therapie
„Wir meldeten unser Team zur Kurzarbeit an und Richard ist in die Küche gegangen und hat angefangen zu kochen“, erzählt Sybille Brunnauer. „Wir hatten in dieser Woche eigentlich eine Spezialitätenwoche mit Fisch- und Krustentiergerichten geplant, die gesamte Ware war im Haus … die liegen zu lassen, das war einfach keine Option.“ Die Brunnauers bieten einen To-Go-Service an, anfangs beschränkte sich das über Newsletter und Facebook kommunizierte Angebot auf je ein Tagesgericht, das von 12 bis 18 Uhr vor dem Restaurant im Freien abgeholt werden konnte.
„Um der Nachfrage gerecht zu werden, haben wir zusätzlich zu den Tagesgerichten auch eine kleine à la carte-Karte ins Take-Away-Programm aufgenommen“, sagt Brunnauer. Ihr kulinarisches Brunnauer-für-Zuhause-Angebot reicht von Kalbsgeschnetzeltem mit Kräuterreis und Champignons (17 Euro) bis zu Atlantik Steinbutt mit Petersilerdäpfeln und grünem Marchfeldspargel (33 Euro). Vorbestellungen sind zwar grundsätzlich erwünscht, „aber die Gäste können bei uns bis mittags anrufen oder spontan vorbeischauen, weil wenn tatsächlich einmal ein Gericht ausverkauft ist, haben wir bis jetzt immer noch eine Alternative aus dem Ärmel gezaubert“. Beispiel? „Neulich gab’s Backhendl, das war relativ schnell weg, deshalb haben wir halt auf Perlhuhn geswitcht, natürlich in Absprache mit den Gästen.“

Aktuell gehen über den großen Tisch, den die Brunnauers vor dem Restaurant zur den aktuellen Abstands- und Hygieneregeln folgenden Essensübergabe aufgestellt haben, bis zu 50 Portionen täglich. „Mit dieser Nachfrage“, sagt Sybille Brunnauer, „können wir durchaus zufrieden sein.“ Allerdings: Aus wirtschaftlicher Sicht könne man sich als Gastronom die aktuelle Situation beim besten Willen nicht schönreden. „Finanziell gesehen ist das, was wir momentan leisten können, ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt sie, betont aber, dass es ihr und Ehemann Richard auch darum gehe, durch das Takeaway-Angebot mit den Gästen in Verbindung zu bleiben. „Und wenn’s nur diese paar Minuten sind, in denen man die vorbereiteten Packerl draußen vor dem Restaurant an die Leute übergibt, kurz plaudert, sich ein Lächeln schenkt. Am Ende glaube ich, dass das für alle in dieser Situation etwas Positives, irgendwie auch Heilsames hat.“
Für ihren Mann, sagt Sybille Brunnauer, sei das Einkaufen, die Menüplanung, das tägliche Kochen auch eine Art Therapie. Ein Weg, sich abzulenken, zu beschäftigen, um angesichts der Ungewissheit nicht zu sehr ins Grübeln zu verfallen. „Auch wenn wir versuchen immer positiv zu bleiben gibt es mit fortwährender Dauer dieses Lockdowns natürlich Momente, wo wir uns fragen: Waren die Entscheidungen, die wir getroffen haben, richtig? Schaffen wir das? Aber in solchen Fragen darf man sich nicht verlieren, denn alles was zählt ist, nicht in Schockstarre zu verfallen und das Beste draus zu machen.“

Das wichtigste für ihren eigenen Betrieb und die heimische Gastronomie ganz allgemein sei, mit Mitte Mai wieder langsam zur Normalität zurückzukehren. Dass die Lockerungen mit verschiedenen Auflagen verbunden sein werden, sei nachvollziehbar, richtig und wichtig, betont Brunnauer. Aber wie Philip Rachinger sieht auch sie die Mund-Nasen-Schutzmaskenpflicht für Mitarbeiter kritisch. „In unserer Branche, und ganz besonders im Service, ist die Kommunikation mit dem Gast von so unschätzbarem Wert. Wenn alle Mitarbeiter Schutzmasken tragen müssen, dann geht ein entscheidendes Stück Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die wir in Österreich leben, verloren.“ Davon abgesehen würden die Schutzmasken die Arbeit im Service, aber auch in der Küche, erheblich erschweren. „Wenn man die Masken im Service stundenlang trägt, nimmt einem das tatsächlich irgendwann die Luft … von der Arbeit in der Küche gar nicht zu sprechen.“ Sie hofft darauf, dass die Neuerkrankungskurve möglichst flach bleibt. „Dafür müssen wir alle enorm viel Disziplin aufbringen, aber für unsere Branche ist es überlebenswichtig, dass wir möglichst bald wieder durchstarten können.“
Weitere Informationen unter:
Website Mühltalhof
Facebookseite Mühltalhof
Website Restaurant Brunnauer
Facebookseite Restaurant Brunnauer
©Fotos: Transgourmet Österreich & Jürgen Grünwald
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