
Gerhard Fuchs glaubt nicht an Radiusküche und Sous-Vide-Garer, dafür an Butter, Handwerk und Gerichte, die man mit Löffel, Gabel und Messer essen kann. Begegnung mit einem prinzipientreuen Botschafter des Freispiels.
Die ersten Sätze eines Interviews geben oft den Ton und den Rhythmus eines Gesprächs vor. Diese ersten Sätze erlauben eine Positionsbestimmung. An diesem Sommermorgen im südsteirischen Ehrenhausen ist es Gerhard Fuchs, der die erste Frage stellt: „Kaffee?“ „Gerne, Cappuccino bitte.“ „Du, ich bin Koch und kein Barrista, Milchschaum kann i net … Schwarz, groß oder klein kannst gern haben.“ Dass sich Gerhard Fuchs nicht gerne verbiegt, wird deutlich, noch bevor man auch nur einen Schritt in seine Küche gesetzt hat. „Ich geb nix auf Tricksereien in der Küche“, sagt er mit fester Stimme, nachdem die großen Schwarzen auf den Tisch gefunden haben. „Ich hab keinen Thermomix, ich hab keinen Sous-vide-Garer, es gibt keine Hauberl und Schaumerl bei mir, und die wird’s auch nie geben. Wenn, dann setz ich einen Trend, und renn keinem nach. Ich hab die Pfeile lieber im Rücken.“
Fuchs, fast forward
Um Sätze wie diesen richtig einordnen zu können, hilft es, zu verstehen, wie Gerhard Fuchs tickt. Was für ein Koch da vor einem sitzt, ist, wenn man es auf biografische Details beschränkt, nämlich relativ schnell zusammengefasst:
Lehre im Restaurant Altwienerhof beim Grandseigneur der klassischen Hochküche Rudi Kellner. Weiter zu Harald Fritzer und ins erste 3-Hauben-Lokal, dann zu KarlHeinz Wolf ins Restaurant Tanglberg, 2001 Wechsel ins Schloss Mondsee, wo Fuchs aus dem Stand drei Hauben und 17 Punkte kochte. Weiter in die Saziani Stub’n in Straden und die vorläufige Karrierekrönung mit dem Titel „Koch des Jahres 2004“. Anschließend machte Fuchs den Kreuzwirt am Pössnitzberg zu einer der bedeutendsten südsteirischen Fine-Dining-Destinationen, 2014 sperrte er schließlich mit dem frisch-gebackenen „Sommelier des Jahres 2021“ Christian Zach in Ehrenhausen die Weinbank auf. Zwölf Mitarbeiter, 3500 Weinpositionen, ein Gourmetrestaurant und ein Wirtshaus mit getrennten Kulinariklinien, 17,5 Gault-Millau-Punkte.
Der Auszug aus dem aktuellen Testbericht beantwortet zumindest einen Teil der Frage, wie Gerhard Fuchs tickt: „Die Gerichte von Gerhard Fuchs werden immer noch exakter, ohne dass sie dadurch ihre Seele oder ihren Esprit verlieren.“
„Wir sind zweieinhalb Stunden Autofahrt vom Meer entfernt, für mich ist Top-Meeresfisch aus Triest regionaler als ein Bio-Schweinsbackerl aus Tirol.“
Gerhard Fuchs

Messer, Gabel, Löffel
Was Fuchs nach 35 Jahren Spitzengastronomie immer noch antreibt, ist die selbstverständliche Überzeugung, dass man unbeirrt von allen Zwischenrufen sein „eigenes Ding“, wie er es nennt, durchziehen muss. Eine Handschrift entwickelt. Fuchs setzt sein Wissen über das kulinarische Erbe Österreichs, über die Verführungskraft bekannter und weniger bekannter Geschmäcke und über das große, klassische Küchenhandwerk in eben so eine unmissverständliche Handschrift um. Seine Kompositionen sind klar und strukturiert aufgebaut, geschmacklich extrem präzise und gleichzeitig komplex. Klassisch, aber nie langweilig. Überraschend, aber nicht verkünstelt.
Es würde ihm niemals in den Sinn kommen, Unterhaltungsküche zu liefern, in der Komponenten zerdeppert und neu zusammengesetzt werden. Das Schlimmste, sagt er, sei, am Gast vorbeizukochen. „Ich kann der beste Küchenchemiker sein, aber wenn der Gast nicht versteht, was da passiert, dann ist das alles nichts wert. Bei mir gibt’s nur Essen mit Sinn und Zweck, das man mit Messer, Löffel und Gabel isst. Kein Rauch, keine Türmchen.“
Er verweigert sich modernen Kochtechniken und Weiterentwicklungen nicht, aber sie müssen auf ganzer Linie Sinn machen. Plastiksackerlkochen, auch Sous-vide genannt, macht für ihn etwa überhaupt keinen Sinn. „Irgendwie hat heute jeder seinen eigenen, nachhaltig aufgezogenen Fisch im Gartenteich, und dann packt er dieses tolle Produkt 48 Stunden lang in ein Plastiksackerl voller Chemie und Weichmacher. Das verursacht Hunderte Liter Plastikmüll, ein absoluter Irrsinn. Und schmeckt ein sous-vide gegarter Fisch dann wirklich besser? Ob ich den ins Wasserbad hänge oder in der Warmhalteschublade in Öl confiere, wo ist da der Unterschied?“
In der modernen Spitzengastronomie ortet Fuchs eine starke Tendenz zur Gleichförmigkeit. Die ist ihm ein Dorn im Auge, da macht er keinen Hehl draus. „Am Ende kriegt der Gast in jedem Restaurant den gleichen Teller. Wo bleibt da die Eigenständigkeit?“ Deshalb werde man in der Weinbank auf der Dessertkarte auch nie ein geeistes Gin Tonic oder ein Gemüsedessert finden und ein Hauptgang sei bei ihm auch immer noch als solcher zu identifizieren.
An diesem Punkt bittet Gerhard Fuchs in die Küche.

Handwerk über alles
„Bei uns bedeutet Hauptgericht: Es gibt ein qualitativ höchstwertiges Stück Fleisch oder Fisch, eine klassische Sauce, gern mit Butter drin, und eine Beilage.“ Das, was Fuchs gerade anrichtet, ist ein Hauptgericht der aktuellen Carte blanche im Gourmetrestaurant, ein im Bambuskorb gedämpftes Wan-Tan mit einer Ochsenschleppfülle, eine mehr als ordentliche Sauce mit ordentlich Butter und eine Beilage in Form von roh gehobelten Kaiserlingen und Eierschwammerln. „Mit unseren Vorspeisen versuchen wir, einen Spannungsbogen aufzubauen, die Portionen sind auch entsprechend kleiner. Aber irgendwann will sich der Gast auch einmal konzentrieren, er will essen, er will genießen, aber er will auch satt werden.“
Wer bei Gerhard Fuchs essen geht, bekommt natürlich keineswegs Gerichte serviert, die einfach nur satt machen. Er bekommt durchdachte Großartigkeiten mit schlichten Namen wie „Erdäpfelkas“, ein lauwarmes Püree mit Brimsen, Schnittlauchöl, Buttermilch und Forelleneiern. Oder gedämpften Waller mit Kalkskopfscheibe, Ponzo-Emulsion, Backerbsen, Zucchinipüree, Taglilien und Borretsch. Oder Kaisergranat mit Eisenkrautnage, jungen Erbsen und Saiblingskaviar.
„Auf Kräuter würd ich in meiner Küche nie verzichten. Aber ich verzichte grundsätzlich auf alles, was ein Schmarrn ist. Auf Plastiksackerlkochen aka Sous-vide zum Beispiel.“
Gerhard Fuchs
Es sind Gerichte, in denen viel Arbeit, Geist und klassisches Kochhandwerk steckt, und darauf ist Gerhard Fuchs stolz, aber eigentlich, sei das eine Selbstverständlichkeit. „Bei mir in der Küche liegt der Fokus ganz klar auf dem Handwerk“, sagt er. „Und wenn du als Koch bei mir in der Küche stehst, dann kannst auch nix verstecken, weil erstens bin ich jeden Abend selbst da und koche mit und zweitens ist die Küche zum Gastraum hin offen.“ Seine Köche würden sehen, wer die Menschen seien, für die sie kochen. „Wenn man ein Gesicht zu seinen Gästen hat, dann überlegt man sich zwei Mal, ob man’s schleifen lässt oder nicht und ob man diesen Menschen einen, salopp ausgedrückt, verhunzten Fisch serviert oder nicht.“

Logik statt Dogmen
Beim Stichwort „Fisch“ landen wir beim Knurrhahn auf der Karte – und damit unweigerlich beim Thema Regionalität. Wenig überraschend, vertritt Gerhard Fuchs auch da eine klare Haltung. Regionalität bedeute für ihn: enger Kontakt zum Lieferanten, sich gemeinsam weiterentwickeln und hochwertiges Produktsourcing mit Hirn. „Wir sind hier zweieinhalb Stunden Autofahrt vom Meer entfernt, für mich ist Top-Ware vom Triestiner Fischmarkt regionaler als ein Bio-Schweinsbackerl aus Tirol.“ Man dürfe, sagt er, Regionalität nicht mit Nationalität verwechseln. Und er möge sich nun mal auch nicht einschränken lassen bei der Wahl seiner Produkte. „Ich halte nichts von Radiusküchen, das ist so plakativ“, sagt er. „Ich brauche und will in meiner Küche mit Produkten wie Vanille, Zitronen oder Orangen arbeiten. Und wir fördern und stärken Regionalität ja auch, deshalb haben wir unter anderem die <47°-Vereinigung gegründet.“ Aber deren Regionalitätsgedanke fuße auf Logik, nicht auf Dogmen.
15 Minuten von der slowenischen Grenze entfernt wäre es absurd, Regionalität mit Nationalität gleichzusetzen, findet Gerhard Fuchs.
Gerhard Fuchs ist Gründungsmitglied und Obmann der <47°-Vereinigung, die mit Harald Irka, Luis Thaller, Manuel Liepert, Daniel Edelsbrunner, Norbert Thaller und Gerhard Fuchs sechs haubengekrönte Mitglieder zählt. Sie eint das gemeinsame Ziel, die kulinarische Identität der Steiermark abzubilden, weiterzuentwickeln und sichtbar zu machen. „Als einzelner Betrieb kannst du weniger bewirken, sowohl was den Auf- und Ausbau eines lokalen Produzentennetzwerks angeht als auch was die grenzüberschreitende Wahrnehmung als Gourmetdestination angeht, als wennst dich zusammentust“, erklärt Gerhard Fuchs. Und es zahle sich am Ende auch für die Produzenten oder Künstler wie Sybille Lehner aka elsi Tischkultur, die die Tableware für die Gruppe gestaltet, aus, wenn sie sechs Spitzenköche beliefern könnten und nicht nur einen. „Das kulinarische Angebot, das hier vonseiten der Touristiker gepusht wird, beschränkt sich nach wie vor eher auf Buschenschänken. Für die Region als Gourmet-Destination gibt’s kein Bewusstsein, also schaffen wir es halt selbst.“
Mittlerweile ist es Mittag geworden, Gerhard Fuchs hat seine Küche aufgeräumt und startet in Richtung Bar. „Magst noch einen Kaffee?“ „Gerne.“

©Fotos Transgourmet/Christian Maislinger
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